Digitalisierung ist kein Selbstzweck

27.06.2022 von Rainer Oude Hengel

Digitalisierung ist kein Selbstzwecke

Die Digitalstrategie der Grundschule im Beerwinkel – ein Gespräch

Was macht die Grundschule im Beerwinkel zum digitalen Ausbildungsort? Darüber habe ich mit Schulleiter Sven Olsok-Becker und Jochen Bösl, Deutsche Telekom, Leiter Direktvertrieb Digitale Bildung, gesprochen. Anlass waren die Schul-IT-Beschaffertage des Behörden Spiegels im April 2022.


Herr Olsok-Becker, wie kam es zum Digitalisierungsprojekt in Ihrer Grundschule in Berlin-Spandau? Gab es einen bestimmten Auslöser?

Sven Olsok-Becker: Wir sind eine Schule mit rund 600 Kindern unterschiedlichen Förderbedarfs – und Alters, da wir in Berlin die Klassen eins bis sechs betreuen. Uns war deshalb besonders wichtig, dass unser Kollegium alle Kinder gleichermaßen auf die digitalisierte Welt vorbereiten kann. Leider war unser WLAN jedoch nur in unserem Verwaltungstrakt wirklich verfügbar, und auch eine Glasfaseranbindung fehlt. Um den Schulbetrieb endlich zu digitalisieren, hat uns die Telekom zum Start Ende 2020 für alle Unterrichtsräume 16 mobile WLAN-Router und 520 Tablets bereitgestellt.


Rückblickend – hatten Sie Probleme, die passende Technik für Ihre Schule zu finden?

Olsok-Becker: Ja, tatsächlich haben wir uns anfangs lange Zeit damit auseinandergesetzt, welche Technologie zu unseren Bedürfnissen passt. Keine leichte Aufgabe: Denn Hard- und Software sollten sich ohne Schwierigkeiten in den bisherigen Schulbetrieb einfügen.

Wie viele Geräte benötigen wir pro Klasse? Auch diese Frage zu beantworten, fiel uns schwer. Erhält jedes Klassenmitglied eins, müssen sich manche Kinder Tablets teilen oder gar eigene Geräte nutzen („bring your own device“)? Hier war die Lage nicht ganz eindeutig. Etwa 80 Kinder, die bildungs- und teilhabeberichtigt sind, haben ein Gerät vom Land Berlin gefördert bekommen. Heute sind wir stolz, all unsere 600 Schülerinnen und Schüler barrierefrei ausbilden zu können.


Herr Bösl, entspricht das auch Ihrer Erfahrung, die Sie mit anderen Schulen und Schulträgern machen?

Jochen Bösl: Definitiv. Auch wir merken immer wieder, dass gerade der Projektbeginn die Schulleitungen herausfordert: Welche IT-Infrastruktur benötigt meine Schule? Wo und wie installiere ich die einzelnen Komponenten? – das sind häufige Fragen. Deshalb haben wir einen Schulkonfigurator entwickelt, mit dem Schulen ihren individuellen IT-Bedarf ermitteln können.

Olsok-Becker: Unser Anspruch war es in dieser Fragestellung vor allem, dass die neuen Tools, Hardware und Konnektivität einen erheblichen Innovationswert für unsere Schule darstellen. Sodass uns die Technik die digitale Bildung deutlich erleichtert. Schließlich war – und ist – das übergreifende Ziel dabei, mithilfe digitaler Kompetenzen auch das kreative, kritische, kommunikative sowie kollaborative Lernen unserer Schülerinnen und Schüler zu fördern. Ganz im Sinne des 4K-Modells. Die richtige Technologie und der erlernte Umgang mit ihr sollen sie fit für die Zukunft machen.  

Bösl: Ein völlig richtiger Ansatz. Digitalisierung ist schließlich kein Selbstzweck. Die Lehrkräfte sollen mit den digitalen Hilfsmitteln die Kinder bestmöglich auf das rasante Veränderungstempo unserer Gesellschaft vorbereiten: indem sie ihnen vermitteln, wie sie sich neugierig, aber auch reflektiert, in unserer digitalisierten Welt zurechtfinden. Das geht aber nur, wenn Lehrerinnen und Lehrer die nötige Offenheit auch selbst an den Tag legen.


Da die Qualität der digital unterstützten Bildung also in großem Maße von Engagement und Know-how der Lehrkräfte abhängt: Wie haben Sie diese Herausforderung in Ihrem Kollegium gelöst, Herr Olsok-Becker?

Olsok-Becker: Indem wir von Anfang an großen Wert darauf gelegt haben, das gesamte Kollegium in das Projekt miteinzubeziehen: Alle Pädagoginnen und Pädagogen haben ein eigenes Dienstgerät erhalten. Es ist essenziell wichtig bei solchen Maßnahmen, dass alle Lehrkräfte an einem Strang ziehen. In diesem Fall haben wir uns für iPads entschieden: Mit dem Apple-Teacher-Programm können wir schulinterne Fortbildungen um digitale Weiterbildungsmaßnahmen erweitern. Unsere Lehrkräfte erhalten dabei sowohl das technische Know-how für die Geräte als auch die Inspiration, wie sie Tools und Technik in den Unterricht einbauen können. Das erhöht ihre Souveränität im Umgang mit digitalen Medien – und den Spaßfaktor beim Unterrichten der Inhalte.


Auch wenn die Schulkinder mit den wesentlichen Funktionen schnell zurechtkommen: Digitale Technologien erfordern einen ganz besonderen Schutz. Wie lässt sich beispielsweise sicherstellen, dass die Kinder nicht auf Websites landen, deren Inhalte nicht jugendfrei sind?

Olsok-Becker: Damit solche Szenarien für unsere Lernenden keine erheblichen Gefahren darstellen, haben wir alle Endgeräte mit einem Mobile-Device-Management-System (MDM) verknüpft: Auf einer zentralen Plattform behalten wir den Überblick über alle eingesetzten Geräte. So können wir steuern, dass einzelne Apps gar nicht erst zugelassen werden oder wichtige Sicherheitsupdates installiert sind – dazu müssen wir nicht jedes Tablet einzeln in die Hand nehmen. Und die Lehrenden haben zusätzlich die Möglichkeit über die Class Room App nur die Apps zuzuweisen, die sie konkret im Unterricht brauchen - so sind die Lernenden nicht abgelenkt oder unkontrollierbaren Inhalten ausgesetzt.

Bösl: Auch wir bieten Schulen die Möglichkeit an, mithilfe eines MDM-Systems bereits im Voraus alle relevanten Programme gebündelt auf die Tablets zu spielen – etwa zum Schreiben oder zur Video-Bearbeitung. Bekommen die Kinder ihre Geräte überreicht, sind sie direkt einsatzbereit.


Das klingt bereits alles nach einem sehr durchdachten Konzept. Blicken wir aber einmal in die Zukunft: Wo sehen Sie beide noch Ausbaubedarf, damit die Grundschule im Beerwinkel Lernende noch stärker digital ausbilden kann?

Olsok-Becker: Seit etwa zwei Jahren arbeiten wir kontinuierlich an unserer Strategie zur digitalen Schule. Dabei steht für uns heute fest: Zukünftig wollen wir gerne von einer Glasfaseranbindung profitieren, um noch besser als mit unserer aktuellen 50-Mbit-Leitung vernetzt zu sein. Außerdem: Auch wenn wir bei der bisherigen Umstrukturierung vom Land Berlin unterstützt wurden, würden wir uns in Zukunft gerne den technischen Support fördern lassen – und zwar langfristig, um die nötige Sicherheit an unserer Seite zu haben. Vom DigitalPakt Schule können wir an dieser Stelle leider bisher keine Unterstützung erwarten. Deshalb stehen wir hier noch vor der offenen Frage: Wie finanzieren wir beispielsweise die Folgekosten, die durch regelmäßige Schulungen und Hilfe bei technischen Fragen entstehen?  

Bösl: Auch unserer Meinung nach ist hier definitiv ein Umdenken der Politik gefragt: Anstatt einmalige Investitionen zu fördern, sollten Schulen die Möglichkeit haben, den laufenden Beitrieb ihrer Technologie zu regeln. Das ist besonders schwierig, wenn Produkte unterschiedlicher Hersteller im Einsatz sind und die Zuständigkeiten der Dienstleister für das Schulpersonal unklar sind. Unsere Zusammenarbeit mit Schulen zeigt uns immer öfter: Moderne Hard- und Software bringen nur wenig, wenn Lehrkräfte nicht die Unterstützung erhalten, um sie ohne Einschränkungen durch technische Störungen langfristig sinnvoll im Unterricht einsetzen zu können.

Wir haben deshalb ein Ziel: ein ganzheitlich durchdachtes Konzept, das den DigitalPakt Schule nachhaltig umsetzt und auf erprobten Standards basiert. Dafür arbeiten wir selbst aktuell an einem „Magenta Klassenzimmer“ mit einem übergreifenden Betriebs-, Schulungs- und Servicekonzept, in dem sich Schulen bzw. die zuständigen Träger aus einer Art Modulbaukasten die für sie passenden IT-Infrastrukturen zusammenstellen. Dem ganzheitlichen Portfolio – von Netz über Sicherheit bis zu Whiteboards, Endgeräten und Cloud-Diensten – liegen getestete und optimierte Betriebsarchitekturen zu Grunde. So ist das beste Nutzererlebnis sicherstellt, damit der Unterricht sich wieder auf Inhalte und Didaktik konzentrieren kann. Das Entscheidende und das gibt es sonst nirgendwo: Wir realisieren hier einen Service, der alle Komponenten umfasst, sodass eine einzige Hotline für alle Störungen schnelle Abhilfe verspricht. Lehrende und Sekretariate müssen nicht erst einmal die fehlerhaften Komponenten selbst ausmachen, um dann den zuständigen Service zu suchen.

Vielen Dank, Herr Olsok-Becker und Herr Bösl, für die interessanten Einblicke und für Ihre Zeit.




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Rainer Oude Hengel

Deutsche Telekom, Konzernprogramm Digitale Bildung und Schule

Rainer Oude Hengel ist im Konzernprogramm Digitale Bildung und Schule übergreifend verantwortlich für die Markt-Kommunikation.

Der Public-Sector-Experte verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Digitalisierung durch integrierte Lösungen - mit Netzwerk, IT und Mobility in einem Gesamtkonzept.