Wie wird Deutschland bei der Verwaltungsdigitalisierung zum Vorreiter?

15.12.2021 von Ihre Redaktion des Public Portals

Ein offenes Buch in dem ein geöffneter Laptop steht, bei dem eine Roboterhand über der Tastatur schwebt


Positionspapier zum Koalitionsvertrag

Die Deutsche Telekom möchte einen Beitrag dazu leisten, dass die neue Bundesregierung die Ziele zur Verwaltungsmodernisierung, die der Koalitionsvertrag vorgibt, zügig erreicht. Zur Umsetzung dieser Ziele legen wir hier sieben Thesen vor.


These 1: Mut zur Vernetzung der Verwaltungsdigitalisierer mit der „Außenwelt“

Der Koalitionsvertrag geht bei der Verwaltungsmodernisierung von ambitionierten Zielen aus. Er fordert kein „Weiter so!“, sondern einen grundlegenden Wandel, keine Politik der Trippelschritte, sondern einen Quantensprung und einen Paradigmenwechsel. In der Verwaltungsdigitalisierung müssen für alle sichtbare und erfahrbare Umsetzungsfortschritte erzielt werden. 

  • Bei diesem Wandel sollte die Bundesregierung auf die Erfahrungen und Erkenntnisse zurückgreifen, die in digitalen, agilen Wirtschaftsunternehmen und in der Wissenschaft gewonnen wurden.
    Das Bundesministerium des Innern sollte mit Vertretern von Verbänden (Bitkom u.a.), Wissenschaftsinstitutionen und Digitalunternehmen eng zusammenarbeiten, um alle Kräfte zu bündeln.

These 2: Mut zur Disruption

Die Verwaltungsmodernisierung kann nur dann gelingen, wenn Bund und Länder den Mut haben, neue Wege zu gehen. Das bedeutet auch: Mehr Disruption wagen! Dazu einige Vorschläge:

  • Die Fortschritte in der Verwaltungsmodernisierung müssen transparent an Leistungskennzahlen (KPIs) gemessen und nachgehalten werden. So können Digitalisierungsrenditen ermittelt, Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger erhoben, Zielabweichungen gesteuert und kontinuierliche Optimierungen vorgenommen werden.
  • Mut zur Standardisierung: Die digitale Verwaltung muss ebenen-, behörden- und ressortübergreifend eine defragmentierte Verwaltung werden, mit einheitlichen Standards bei Prozessen, Plattformen, Datenmodellen, Software-Lösungen, die für alle gelten und für alle verbindlich sind. Eine effektive Verwaltungsdigitalisierung erfordert eine forcierte Standardisierung, um Komplexität reduzieren und Zersplitterung vermeiden zu können.
  • Neben die klassische hierarchische Behördenstruktur mit Referats- und Abteilungs-Silos müssen, wie es der Koalitionsvertrag vorsieht, agile Organisationsformen treten, mit flexiblen, hierarchiefreien Projektteams und agilen Kooperationsmethoden. Gleichzeitig bedarf es der Einführung einer Ende-zu-Ende Prozessverantwortung im fachlichen und technischen Sinne. 
  • Mut zum Experiment: erfolgreiche Verwaltungsmodernisierung setzt die Transformation zu einer lernenden Verwaltung voraus mit Offenheit für Experimente und Reallabore, in denen Anwendungs- und Nutzenpotenziale neuer Technologien (Big Data, Blockchain, KI, 5G etc.) für die Verwaltung erprobt werden.

These 3: Mut zur strategischen Sicht auf die Verwaltungsdigitalisierung

Digitalisierung bedeutet nicht, das gleiche, was bisher analog geschah, digital zu tun, sondern bedeutet, mit digitalen Mitteln kundenorientiert die Leistungen und die Leistungsfähigkeit der Verwaltung kontinuierlich und erheblich zu verbessern.

Verwaltungsdigitalisierung muss deshalb in eine „Strategie Verwaltung 4.0“ (analog Industrie 4.0) eingebettet werden, welche sich darauf fokussiert,

  • wie die öffentliche Verwaltung schneller, effektiver, effizienter, nutzerorientierter und agiler werden kann,
  • wie die Potenziale der Verwaltungsdigitalisierung für eine wirksame Klimaschutzpolitik genutzt werden können,
  • wie Leistungen einfach handhabbarer und zeitgemäßer digital bereitgestellt werden können,
  • wie sie in die Lage versetzt werden kann, auf Unvorhergesehenes flexibel und adaptiv zu reagieren und proaktiv auf Veränderungen vorbereitet und voreingestellt zu sein,
  • wie die digitale Verwaltung rechtlich verankert werden kann (Novellierung des Verwaltungsverfahrensgesetzes etc.)
  • und wie alle Maßnahmen zur Verwaltungsdigitalisierung auf das Ziel der Sicherung bzw. Wiederherstellung der digitalen Souveränität Deutschlands ausgerichtet werden können. Dazu gehört der Aufbau einer einheitlichen, standardisierten, souveränen deutschen Verwaltungs-Cloud auf Basis einer Multi-Cloud Strategie mit der sichergestellt wird, dass die öffentliche Hand Herrin ihrer Daten bleibt.

These 4: Mit dem Aufbau von Dateninfrastrukturen und Datenplattformen wirkungsvoll regieren

In allen wichtigen Politikbereichen setzt der Koalitionsvertrag auf den Aufbau und Betrieb von Datenplattformen. Die Nutzung von Daten wird neben Recht und Finanzen zur dritten starken Säule des Regierungs- und Verwaltungshandelns.

  • Die in dem Koalitionsvertrag genannten Plattformen müssen miteinander verknüpft werden, da sonst die Gefahr der Mehrfachrealisierung besteht. 
  • Eine einheitliche Datenplattforminfrastruktur stellt sicher, dass Daten auf einfachem Wege miteinander verknüpft werden können, um ganzheitliches Regieren und Verwalten möglich zu machen.
  • Die Datenschutzbestimmungen müssen entsprechend angepasst werden. Nicht zuletzt zeigt die Pandemie, dass schnelle und damit zeitnahe Auswertungen von Daten dringend notwendig sind.
  • Plattformbetreiber werden künftig auch eine gesellschaftliche Verantwortung in dem Sinne wahrnehmen müssen, eine digitale Inklusion der Menschen sicher zu stellen.

These 5: Mit dem OZG die Digitalisierung schnell in die Verwaltungspraxis bringen

Die im Koalitionsvertrag vorgesehene nutzerorientierte Weiterentwicklung des OZG muss neben der Standardisierung und Vereinheitlichung von IT-Verfahren (EfA-Prinzip und Once-Only-Prinzip) eine vollständige Ende-zu-Ende-Digitalisierung der Verwaltungsverfahren umfassen.

  • In der neuen Legislaturperiode sollte eine „OZG 2.0-Strategie“ umgesetzt werden. Dazu gehört die digitale Bereitstellung der 575 Verfahren nach dem Reifegrad 4, die Sicherung einer durchgängigen Ende-zu-Ende-Digitalisierung mit automatisierten Verwaltungsverfahren (einschließlich einer Backend-Integration) und die Bereitstellung ausreichender Ressourcen, damit die Kommunen die digitalen Verwaltungsleistungen auch einsetzen können.
  • Eine erfolgreiche Umsetzung des OZG hängt wesentlich von einer schnellen Modernisierung der Register ab. Die Registermodernisierung ist zu beschleunigen und die Backend-Architektur mit der OZG-Umsetzung zu harmonisieren.
  • Das Ziel ist erreichbar, wenn Best Practices aus der Industrie, Interoperabilität und offene Standards umfassend und sofort genutzt werden.

These 6: Mit neuen Technologien und Methoden das Klima schützen und die Wirtschaft stärken

Ohne Digitalisierung keine Daten, ohne Daten kein Klimaschutz. Um die IT gewinnbringend auch für den Klimaschutz zu nutzen, müssen künftig enorme Datenmengen gebündelt, ausgewertet und der Regierung und Verwaltung zur Verfügung gestellt werden. Die im Koalitionsvertrag vielfach genannten neuen Technologien wie KI, Blockchain, SSI (Self Sovereign Identity) oder offene Standards sowie Open Source Entwicklungen müssen schnell und umfassend genutzt, bzw. dafür die Rahmenbedingungen angepasst werden. 

  • Die KI hat das Potenzial, die Verwaltung von Routineaufgaben zu entlasten und das für diese Aufgaben bisherige Personal für wertschöpfende Aufgaben wie Unterstützung, Beratung und Befähigung von Bürgerinnen und Bürgern einzusetzen. 
  • Für den Einsatz neuer Methoden und Technologien ist ein neues Mindset, sowie mehr Projektzusammenarbeit der Ressorts untereinander notwendig. 
  • Durch intelligente Mobilitätskonzepte sowie durch eine intelligente Energiesteuerung können Emissionen wirkungsvoll reduziert werden. 
  • Die Erfahrungen der Industrie mit KI sollten genutzt und weiterentwickelt werden. 

These 7: Vereinfachung des Vergabeverfahrens für eine schnelle Verwaltungsdigitalisierung

Die komplizierten Vergabevorschriften sind ein Hemmnis für eine schnelle Verwaltungsdigitalisierung. Das gilt u.a. für die Beschaffung von Informationstechnik als auch für Lösungen. 

  • Der Vorschlag des Normenkontrollrates, das Vergaberecht im Zusammenhang mit der Verwaltungsdigitalisierung massiv zu vereinfachen, sollte schnell umgesetzt werden. Inhouse-Modelle dürfen allerdings den Wettbewerb durch den Markt nicht ausbremsen. 
  • Offenheit für Partnerschaften: Statt des klassischen hierarchischen Auftraggeber-Auftragnehmer-Verhältnisses, das in herkömmlichen Vergabeverfahren begründet wird, sollten neue Partnerschaftsformen zwischen öffentlichem und privatem Sektor erprobt werden: Innovations- und Entwicklungspartnerschaften, Co-Creation-Partnerschaften, Experimentier-Partnerschaften. Auch sollte das Vergaberecht dazu modernisiert, d. h. „agilisiert“ werden.



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