Studie zeigt Defizite bei technischer Ausstattung und Know-how
Obwohl die Pandemie die Digitalisierung deutscher Schulen vorangetrieben hat, fehlt es an einer soliden technischen Basis, wie IT-Infrastruktur und breitbandige Internetverbindung. Der Digitalisierungsindex Bildung 2021/2022 beweist, dass wir einen DigitalPakt 2.0 für mehr Tempo und nachhaltige Maßnahmen brauchen.
Als die Corona-Pandemie plötzlich für leere Klassenzimmer sorgte, mussten die Schulen umdenken. Homeschooling ohne Laptops und Videokonferenz-Tools? Das schien zunächst unmöglich. Die Situation führte deutlich vor Augen, welchen Aufholbedarf das deutsche Bildungswesen hatte. Aber das Schulpersonal reagierte schnell und flexibel. Das bestätigen auch die Zahlen des neuen Digitalisierungsindex Bildung 2021/2022: Um die Notlage zu meistern, etablierten viele Schulen überfällige Digitalisierungsmaßnahmen. Der Nachteil: Sie konnten nicht ganzheitlich und nachhaltig digitalisieren , sondern haben vielerorts nur kurzfristige Lösungen forciert – vor allem, um den Unterricht auch zu Hause zu ermöglichen.
Zuspruch für digitale Medien im Unterricht
Laut Index etablierten 75 Prozent der Schulen Web- und Videokonferenzen sowie Online-Lernplattformen. Die Mehrheit der Bildungseinrichtungen stellt mittlerweile digitale Endgeräte für Lernende und Lehrkräfte bereit. Auch Schul-Apps (48 Prozent), Management-Tools (30 Prozent), sowie Lösungen, um Dokumente online zu verwalten (40 Prozent), verbreiten sich allmählich. Die Maßnahmen zum Online-Unterricht kommen an: 85 Prozent der Schulen finden es bereichernd und motivierend, wenn sie neue Medien beim Lehren einsetzen. Auf den Wunschzetteln der Schulen stehen auch in Zukunft mehr Tablets für Lehrende und Lernende, Präsentationstechnik wie digitale Tafeln und Online-Tools für Videokonferenzen sowie für Stundenpläne.
Digitalisierung an Schulen weiterhin ausbaufähig
Die Schulen machen Fortschritte. Es gibt aber auch noch Defizite: Vielerorts fehlt es an einer soliden technischen Basis. Dazu gehören sowohl IT-Infrastrukturen wie ein breitbandiges Netz und eine flächendeckende Endgeräteausstattung als auch das nötige Know-how, um die neue Technik sinnvoll einzubinden. Viele Schulen sind von einer idealen digitalen Lernumgebung noch weit entfernt. 80 Prozent der befragten Einrichtungen haben nicht einmal eine ausreichend starke Internetverbindung und nur 23 Prozent verfügen über einen Glasfaseranschluss mit hoher Bandbreite. Trotz erster Anschaffungen benötigt knapp die Hälfe der Schulen interaktive Präsentationstechnik sowie Tablets und Laptops für den Unterricht.
Der Umgang mit der Technik fällt dem Schulpersonal in der Praxis oft schwer, das steht dem nachhaltigen Wandel vielerorts noch im Weg. 72 Prozent der Schulen meinen, dass Lehrpläne und -materialien noch nicht ausreichend auf digitalen Unterricht zugeschnitten sind. An nur 40 Prozent der Einrichtungen arbeiten Fachkräfte mit der nötigen Technikkompetenz.
Unkomplizierter Zugriff auf Fördermittel gefragt
Um das Bildungswesen stärker zu digitalisieren, planen 98 Prozent der Befragten entsprechende Investitionen fest ein – oder erhöhen sogar ihre Ausgaben. Damit legen die Zahlen der Studie offen, dass der Wille zur Transformation durchaus vorhanden ist. Auch die dafür nötigen Fördergelder stehen eigentlich zur Verfügung: Mit dem DigitalPakt Schule erhalten Schulen seit 2019 die Möglichkeit, auf insgesamt mehr als sieben Milliarden Euro für ihre digitale Transformation zuzugreifen. Aber im März 2022 war erst ein Fünftel der Mittel abgeflossen. Woher rührt die Zurückhaltung? Aus unserer Zusammenarbeit mit Schulen wissen wir: Die bisherigen Verfahren im föderalen Gefüge sind an vielen Stellen zu kompliziert und schrecken daher ab. Ginge der DigitalPakt nach 2024 in die Verlängerung, so lohnt es sich, schon heute über die notwendigen Änderungen nachzudenken. Das betrifft vor allem die Themen Standardisierung und IT-Support.
Chancen einer Neuausrichtung: Standards und Support
Zum einen brauchen Schulen definierte – bestenfalls bundesweite – Standards, die Richtlinien für alle Komponenten der Digitalisierung berücksichtigen. Das reicht von der technischen Ausstattung über pädagogische Online-Tools bis hin zur Internetanbindung. Schulen sollten den Medienentwicklungsplan anhand erprobter Vorgaben aufbauen und individuell anpassen können. Die Vorteile: weniger Aufwand für die Bildungseinrichtungen, wenn sie ihre Unterstützung beantragen. Mit solchen Standards lassen sich ganzheitliche Konzepte, die alle nötigen Maßnahmen in den Blick nehmen, leichter umsetzen.
Oft fehlt es nicht nur an Personal, um die bürokratischen Hürden zu meistern. Auch um den laufenden Technikbetrieb zu managen und pädagogisch sinnvoll zu leiten, braucht es fähige Beschäftigte. Das hat der bisherige DigitalPakt nur unzureichend berücksichtigt. Derzeit fördert das Programm zwar die Anschaffung von Komponenten wie den Endgeräten. Es übernimmt aber weder die Kosten für den laufenden Betrieb, den IT-Service oder die Reparaturen noch für entsprechende Schulungen des Personals. In der Folge können Lehrkräfte das Potenzial neuer Medien nicht voll ausschöpfen, die vorhandenen Geräte werden nur mangelhaft gewartet und im Zweifel verfrüht aussortiert. Häufig kommt das technische Equipment gar nicht erst zum Einsatz, weil Fachkräfte fehlen, um die Geräte einzurichten.
Ein möglicher DigitalPakt 2.0 erfordert hier neue Konzepte: Wir müssen die technische Ausstattung und Infrastruktur an Schulen ebenso stärker fördern wie das personelle Know-how. Eine Neuauflage des Förderprogramms wäre deshalb ein wichtiger Schritt, um die Digitalisierung deutscher Schulen mit einer nachhaltigen Finanzierung voranzutreiben – und damit endlich die Schule von morgen zu verwirklichen.
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Rainer Oude Hengel
Deutsche Telekom, Konzernprogramm Digitale Bildung und Schule
Rainer Oude Hengel ist im Konzernprogramm Digitale Bildung und Schule übergreifend verantwortlich für die Markt-Kommunikation.
Der Public-Sector-Experte verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Digitalisierung durch integrierte Lösungen - mit Netzwerk, IT und Mobility in einem Gesamtkonzept.